Oben: Beispiele für meine Mitwirkung bei der Gestaltung der Werkzeitung. Ein halbes Jahr  der Veröffentlichung des Bildes oben links durften die Außendienst-Ingenieure von den Motorrädern auf Kabinenroller "Isetta" uimsteigen. Weitere Bilder befinden sich im nachfolgenden Bericht.

Berufsleben, einmal anders geschildert

Für den Menschen gibt es dreierlei Wege, klug zu handeln.

1. durch Nachdenken- das ist der edelste,

2. durch Nachahmen- das ist der leichteste,

3. durch Erfahrung- das ist der bitterste.

Das hört sich zwar gut an, aber ich komme schnell dahinter, dass ich nicht umhin komme, alle drei Wege zu einem einzigen zu vereinen.



Ein wenig dazugelernt

 

Studium und Berufsleben

Ich möchte diesen Bericht, der sich im wesentlichen mit meinem Heranwachsen und (hoffentlichen) Reifen in meiner Eifeler Heimat befasst, nicht überfrachten. Deshalb schlage ich hier mit dürren Worten einen großen Bogen, mein Studium und Berufsleben betreffend. Da es auch im Detail spannend genug ist, sollte seine Schilderung einen angemessenen Platz in einem nachstehenden Bericht finden. Es umfasst:

 

  • Ingenieurstudium und Abschluss
  • Tätigkeit als Ingenieur und Prokurist in einem Kölner Versorgungsbetrieb
  • Technische Geschäftsführung bei der Dresden Gas GmbH  bis zum vollendeten

      65. Lebensjahr

  • Versorgungstechnische Beratung in diversen ostdeutschen Versorgungsbetrieben bis zum vollendeten 70. Lebensjahr.

 

Schließen möchte ich mit einigen Betrachtungen zur geistigen Situation in Deutschland, die ich mit der Sturheit und Hartnäckigkeit des knorrigen Eiflers auch heute, in den Achtzigern meines Lebens, noch hellwach verfolge. Denn die in der Tradition dieses Berglandes verwurzelte Erziehung hat mir scheinbar mehr genützt als geschadet.



Jungingenieur 1950/55

 

Bestimmte Dinge sind und bleiben für einen bestimmten Menschen reserviert, nämlich für denjenigen, der mir etwas bedeutet.

 

Schwieriger Start ins Berufsleben           

Kurz vor Abschluss meines Ingenieurstudiums am Ende des Sommersemesters 1950 sehe ich mich nach einer Arbeitsstelle um. Diese Suche gestaltet sich weit schwieriger, als ich zunächst vermutet hatte. Durch den gewaltigen Flüchtlingszustrom aus dem Osten infolge der Vertreibung der Deutschen aus Ostpreußen, Pommern und Schlesien steigt die Nachfrage nach Konsumgütern sprunghaft an und erfordert den Import eines Großteils der Ernährungsgüter aus dem westlichen Ausland. Dadurch fehlen wiederum die Devisen für die Einfuhr dringend benötigter Rohstoffe für die industrielle Produktion. Mit einem Wort, jetzt im Jahr 1950 steckt die deutsche Wirtschaft in einer Krise. Die Gelder aus der Unterstützungshilfe des Marshallplans fangen erst spärlich an zu fließen. Wohnsiedlungen werden vorerst nur für die Angehörigen der Besatzungstruppen gebaut. Also stürzen sich die Fachfirmen für Gas, Wasser, Heizung und Lüftung gierig auf diese Baumaßnahmen. Will man als frisch gebackener Ingenieur bei einer dieser Firmen Fuß fassen, muß man sich mit 250 bis 300 DM Monatslohn zufrieden geben. In Köln sind britische und belgische Soldatenfamilien in neu zu bauenden Wohnsiedlungen unterzubringen. Aber sonst? Ebbe!

Mein Schicksal schiebt ein Fahrrad     

Auf der Suche nach einer Ingenieurtätigkeit wird mir eine mittelgroße Heizungsfirma genannt, die noch eine Ingenieurstelle frei habe. Es ist jetzt später Nachmittag und ich befinde mich auf dem Wege zum Büro dieser Firma. Kurz bevor ich sie erreiche, kommt mir aus der Toreinfahrt dieses Betriebes eine junge Dame, ihr Fahrrad schiebend, entgegen. Sie fragt mich nach meinem Wunsch und ich berichte ihr in kurzen Worten, daß ich auf Stellensuche sei und bei der Heizungsfirma vorsprechen wolle. Die Dame, die hier vermutlich  als Kaufmännische Angestellte arbeitet, erklärt, es sei niemand mehr im Büro, das sie als Letzte verlassen habe und es würde sich für mich empfehlen, am nächsten Tag wiederzukommen, allerdings zu einer früheren Tageszeit. In Wirklichkeit hat sie keine Lust, mit mir nach Ende ihrer Bürozeit nochmals umzukehren, obwohl sogar der Chef selbst noch an seinem Schreibtisch sitzt. ,Was kommt der auch zu dieser späten Stunde´, wird sie gedacht haben. Als ich am nächsten Morgen ins Büro der Firma eintrete, höre ich sie ihrer Kollegin zuflüstern: „Da ist er wieder“. Die alten Griechen wussten, warum sie für das launische Schicksal eine Göttin verantwortlich machten.

Betriebsausflug zur Ahr      

Ich werde eingestellt und kurz darauf findet ein Betriebsausflug zur Ahr statt. Hier lerne ich besagte junge Dame bei einem Gläschen Ahrwein und beim Tanzen etwas näher kennen. Es ist im altbekannten Ausflugslokal „Bunte Kuh“ auf der wunderschönen Strecke der Ahr zwischen Bad Neuenahr und Altenahr. Hier wird der Wein an steilen Hängen zwischen bizarren Felspartien angebaut und verleiht so dieser Landschaft ihre Einmaligkeit. Also, meine Tanzpartnerin heißt Gisela Rath und fährt bereits morgen früh nach Urach in der Schwäbischen Alb in Urlaub. Der nächste Tag ist ein Sonntag, an dem ich gegen alle Gewohnheit nicht zu meinen Eltern in die Eifel fahre. Ich hatte ihn mir als Reservetag für eine eventuelle Festigung des schon vor Beginn des Betriebsausfluges geplanten Kennenlernens vorbehalten. Das geht also, zumindest in dieser von mir geplanten Schnelle, schief. So wandere ich an diesem Sonntag durch Köln, erlebe dort den Aufzug der rheinischen Schützenbruderschaften, deren häufigster Name „St. Hubertus“ ist. Ihre Musikkapellen spielen Musik in hausbackenem Stil, die sich gut zum Marschieren eignet. Mir ist dies heute mehr als gleichgültig, weil ich nicht gewillt bin, irgend etwas Aufregendes zu erleben. Statt dessen  geht mir die Ahrtour durch den Kopf und auf dem Heimweg komme ich zu folgendem Entschluß: „Ich werde sie eines Tages heiraten.“ Dessen bin ich mir, Gott weiß wieso, gewiß.

Nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub liegt in der Firma auf  meinem Schreibtisch ein geschlossener Umschlag mit Briefchen: „Herr Weber ich muß Sie dringend sprechen!“ Also verabreden wir uns.

Was daraus entstand, ist auf Fotos unter Familie zu sehen.

Hilfreiche Kollegen im Versorgungsbetrieb

Ich weiß, es ist alles andere als amüsant, von hilfreichen, fleißigen und pedantisch genauen Kollegen zu berichten. Deshalb will ich ja auch im folgenden Kapitel schillerndere Typen beschreiben. Aber ich muss einfach zunächst die für mich als Vorbild geeigneten lieben Menschen erwähnen und schildern. Andernfalls würde ich sowohl diese als auch unsere ganze Firma in einem falschen diffusen Licht erscheinen lassen und zutiefst beleidigen.

Ein ganzes Land wird einfach verschoben       

Kurz vor dem endgültigen Ende des deutschen militärischen Widerstandes gegen die von Ost und West  heranrückenden und sich aufeinander zu bewegenden Kriegsgegner war die Stadt Stettin bereits von russischen Verbänden erobert und in die polnische Verwaltung  übernommen worden.

Es wird ja wohl jedem Leser bekannt sein, das die Alliierten die Verschiebung des polnischen Staatsgebietes nach Westen beschlossen hatten. Fürwahr ein kühner und fast unglaublicher Plan, der bei den Betroffenen, ob Deutschen oder Polen, nicht auf große Begeisterung stieß (gelinde gesagt). In der vormals rein deutschen Stadt Stettin sind also nach und nach die aus Ostpolen (jetzt Russland) kommenden Polen eingezogen, nachdem die deutsche Bevölkerung die Stadt in Richtung Westen verlassen hatte. Aber das ging nicht so einfach. Die Polen hielten zunächst eine stattliche Anzahl von Fachleuten zurück, die für die quasi reibungslose Übergabe der Stadt, unter anderem einschließlich ihrer Versorgungsbetriebe, zu sorgen hatten. Fast pedantisch genau        

Und hier, in den Versorgungsbetrieben für Gas und Wasser war in jenen Tagen mein jetziger Kollege für diese Übergabe vorgesehen. Das dauerte natürlich seine Zeit, denn die Aufgabe war nicht einfach. Man stelle sich vor: Alle technischen Einrichtungen waren gewohnt, in der deutschen Sprache angeredet und bedient zu werden. Und jetzt sollten sie plötzlich polnisch verstehen. In dieser schwierigen Zeit wurde mein jetziger Kollege zweisprachig, pingelig genau, mit einem Wort pedantisch. Denn ohne die Pedanterie wäre er zu schnell fertig geworden und vielleicht über Nacht auf die von Flüchtlingen überfüllten Straßen gen Westen geschickt worden. Doch irgendwann, nach mehreren Monaten, musste auch er mit seiner Familie nach Westen ziehen und so landete er schließlich bei den Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerken der Stadt Köln.

 

Was man über Monate eingeübt und erfolgreich praktiziert hat, steckt in den Knochen drin. Als ich nun dem Gas- und Wasser-Rohrnetzbereich zugeordnet werde und im Büro des „Stettiner Kollegen“ in Köln ihm gegenüber an einem Schreibtisch Platz nehmen darf, ist mein Schicksal (Gottseidank) besiegelt. An diesem Tag tritt ihm zwar kein polnischer Ingenieur, sondern ein aus der Eifel stammender Jungingenieur entgegen.  Doch darin scheint er keinen gravierenden Unterschied zu erblicken (meine ländlich geprägte Ausdrucksweise?) und so wendet er die in Stettin geübte Genauigkeit auch bei mir an. Ich habe bei ihm sehr viel gelernt und manches Brauchbare für ein ganzes Berufsleben beibehalten. Nur, als er mir genug beigebracht hat, geht er nicht weiter nach Westen, sondern innerhalb des Unternehmens in den neu gegründeten Bereich „Vertrieb“.

Unser Berufsverein   

Eine seiner nachhaltigsten Leistungen ist die Wiederbelebung des Berufsvereins für das Gas- und Wasserfach, kurz Deliwa-Verein genannt, für den Bereich Köln und Umkreis. Dieser „Umkreis“ schloss immerhin sogar die Stadt Siegen mit ein. Der sonderbar anmutende Name Deliwa stammt aus der Zeit, als das Stadtgas als sogenanntes Leuchtgas zunächst hauptsächlich für die Beleuchtung der Wohnungen und Straßen genutzt wurde. Er bedeutet: Deutscher Verein für das Licht- und Wasserfach. Ich werde dann auch, kaum in der Firma warm geworden, als Vereinsmitglied gewonnen und für die ersten Jahre als Schriftführer eingesetzt.

 

So wie bei meinem „Stettiner Kollegen“ verhalte ich mich auch bei den anderen. Ich übernehme das, was mir gut, wichtig und für die Zukunft brauchbar erscheint und lasse das Übrige weg. Aus Verdaulichkeitsgründen, was das Lesen betrifft, lasse ich auch die Beschreibung der übrigen guten, fleißigen und hilfreichen Kollegen weg. Das will doch keiner hören! Aber ich muss dennoch auf die großen Leistungen meines Fachbereichs bei GEW hinweisen. Andernfalls würden die nachfolgenden Schilderungen der Notzeit und deren Linderung nach Kriegsende unfair sein.



Die Kugelgasbehälter

Neben der rasanten Wiederinbetriebnahme der stark beschädigten Gas- und Wasserleitungen, einschließlich der rheinüberquerenden Gasleitungen und der Gas-Straßenbeleuchtung, ist eine Pionierleistung beim Bau von Kugelgasbehältern anstelle der stark beschädigten oder zerstörten Scheiben- bzw. Teleskopgasbehältern, in einer bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht praktizierten Größenordnung und Speicherkapazität, besonders hervorzuheben. Selbst aus Japan kommen jetzt, in den 50er Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts, die interessierten Fachleute angereist, um sich vor Ort vom Leiter des Bereichs Gasübernahme, Speicherung und Regelung, Herrn Oberingenieur Friedrich Zenk, informieren zu lassen.

Herr Zenk wird später, wenn ich diese Erinnerungen zu Papier bringe, im Alter von sage und schreibe 105 Jahren immer noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte Kontakt zu mir aufrechterhalten. Da sage einer Gas sei ungesund!

Nachtrag: Herr Zenk, geboren am 14. Oktober 1908, starb am 06.Juli 2014.

Kölner Kugelgasbehälter

Ein interessantes Buch

Ich gestatte mir, an dieser Stelle auf das Buch „Mit Energie für Köln“ mit dem Untertitel „125 Jahre Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke“ hinzuweisen. Dieses Buch, das die Entwicklung der Energie- und Wasserversorgung vor dem Hintergrund der sehr interessanten Stadtentwicklung aufzeigt und dies anhand von historischen Dokumenten erläutert, ist über den Wienand Verlag zu beziehen. Es ist bemerkenswert, wie die gesellschaftliche und städtebauliche Entwicklung Kölns in dem behandelten Zeitraum anhand des doch sehr speziell anmutenden Themas „Versorgung“ verständlich gemacht und interessant geschildert wird.

 

Die Kunst des Überlebens im Nachkriegsdeutschland

 

Eine gewaltige Wiederaufbauleistung

Köln war im Zweiten Weltkrieg durch insgesamt 262 Fliegerangriffe, bei denen mindestens 20 000 Zivilpersonen ums Leben kamen, in eine Ruinenlandschaft mit brandgeschwärzten Restmauern und tiefen Bombentrichtern verwandelt und so geschunden worden, dass ein Wiederaufbau an anderer Stelle durchaus diskutiert wurde. Die Sprengkraft der Bomben hatte aber nicht nur die Wohnstätten der Einwohner zerstört, sondern auch das Straßennetz mit den der Versorgung und Entwässerung dienenden Leitungen und Kanälen um- und umgepflügt. Es grenzt fast an ein Wunder, in welch kurzer Zeit diese Anlagen wieder in einen Zustand versetzt werden konnten, der eine Wiederaufnahme der Ver- und Entsorgung der in Köln verbliebenen Kellerkinder und der vom Heimweh geplagten zurückflutenden Evakuierten ermöglichte. Aber es war kein Wunder, sondern die Leistung der Mitarbeiter der stadteigenen Betriebe!

Wenn ich darüber nachdenke, bei welch schlechter Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln diese Leistungen zustande kamen, dann muss ich auch einen anderen Personenkreis in meine Betrachtungen einbeziehen. Sicher wäre es angebracht, zu allererst die erwähnte Aufbauarbeit und die Entbehrungen der arbeitenden Menschen zu beschreiben und zu loben. Aber das ist, was die Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke der Stadt Köln betrifft, in nicht zu übertreffender Art und Weise in dem Buch „Mit Energie für Köln“ gelungen. Wende ich mich also, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen, den Menschen zu, die den herrschenden Mangel an Lebensmitteln mit den Mitteln und ungeschriebenen Gesetzen des schwarzen Marktes zumindest zu lindern verstanden.

Im Kapitel „Ein Sommer in Köln“ schilderte ich das Gewinnen von genießbarem Kakao aus den Ablagerungen der stillgelegten Kakaoleitungen der Schokoladefabrik Stollwerck in Köln. Von diesen intelligenten Tricks abgesehen wird den Bauarbeitern, ob Maurer, Heizungsmonteure oder Installateure, immer wieder von den Bauherren im Interesse eines zügigen Bauablaufs die eine oder andere Naturalie zum Überleben zugesteckt. Aber wie sollen die Mitarbeiter der Versorgungsbetriebe an die nötigsten Sachen zum Überleben dieser düsteren Zeit kommen. Sie können,- und fragt nicht wie.

 

Schlitzohrigkeit gefragt         In dieser Zeit des Hamsterns, Kompensierens und listigen Verschaffens von Vorteilen durch Beziehungen im Überlebenskampf vor der Währungsreform hat sich ein bestimmter Menschentyp zu den Futterkrippen emporgearbeitet, der eine gelungene aber notwendige Mischung von Organisator und schlitzohrigem Falschspieler darstellt. Sofern er auch andere, weniger begabte Menschen, wie reine Facharbeitertypen, korrekte Beamte und rechtschaffene Angestellte mitleben lässt, ist gegen die Aktivitäten der gehobenen Klasse der genannten Überlebenskünstler nur schwer etwas einzuwenden. Wenn ich mit dem Zug unterwegs war oder einmal ein Tanzlokal aufsuchte, konnte ich diese aus dem Vollen schöpfenden Lebenskünstler aus den Augenwinkeln heraus kritisch beobachten. Komisch, ich hatte zunächst etwas gegen sie. Aber ich konnte mir dieses Nichtmögen ja deshalb erlauben, weil ich von Zuhause genügend Lebensmittel aus eigener Erzeugung mitbekam. Irgendwie benahmen sie sich bewusst großzügig bis großkotzig. Sie gaben mit einer gönnerischen Handbewegung reichlich Trinkgeld, fütterten ihre Partnerinnen (meist Eintagsfliegen) während des Klammertanzes mit Leckereien usw. Sie waren weltmännisch oder halbweltmännisch gekleidet, mit nach unten breit ausladenden Hosenbeinen, die bis zur Schuhspitze reichten und außerhalb der Lokale mit breitkrempigem Hut, der nach hinten möglichst tief eingedrückt war. Das waren Kerle!

Ich versuche, wie der Leser unschwer bemerkt, mich an das Problem heranzutasten. Beginne ich mit dem Beschreiben einiger Typen dieser nicht uninteressanten Zeit. Da haben wir zum Beispiel den typischen Organisator, der mitnichten mit viel hemmendem Fachwissen gesegnet ist oder dem Kreis übermäßiger Intelligenz zuzurechnen wäre. Aber er ist in diesen Tagen des Überlebenskampfes unverzichtbar. Er denkt natürlich an seinen persönlichen Vorteil, ist aber durch das Erlebnis der Kameradschaft an den Fronten des zu Ende gegangenen Krieges in gewisser Weise sozial. Er bringt es immerhin fertig, wie ich vorhin schon zu hoffen wagte, nicht nur sich selbst, sondern auch  seine Kollegen und Vorgesetzten (mit eigentlich  unzulässigen Methoden und Mitteln) über Wasser zu halten.

 

Und da haben wir den Typ des Schleimscheißers. Er ist im Sinne der Beschaffung des Lebensnotwendigen nicht brauchbar. Aber er, der nicht die Fähigkeit des Organisierens besitzt und auch keine erwähnenswerte Fachkenntnisse hat, aber trotz dieser Mängel auch überleben will, bedient sich der uralten Methode des Parasitentums. Wir kennen aus der Natur die Parasiten des Pflanzenreichs, zum Beispiel die in den Obstbäumen fest verankerten Mistelzweige. Sie bringen es fertig, den Winter grün und ansehnlich zu überstehen, während ihre Opferbäume schwarz und wie dürr in der kalten Winterlandschaft stehen und leiden. Und dann nimmt man sie, die Mistelzweige, in England sogar als Weihnachtsschmuck in die warmen Wohnungen und tanzt am Heiligabend unter diesen Glücksbringern  her, als seien sie Garanten einer glücklichen Zukunft. So ungerecht kann die Natur sein!

 

Beginnen wir mit dem Schleimscheißer. Jemand berichtet anlässlich einer Tagung unseres Berufsvereins folgende wahre Geschichte, die ich der Einfachheit halber in der Ichform wiedergebe:

Kurz nach dem Beginn meiner Tätigkeit als Jungingenieur bei einem Versorgungsbetrieb tritt er, mit einem Klumpfuß humpelnd, in mein Leben. Es heißt, er habe in Wirklichkeit keine Behinderung und das Humpeln oder Hinken sei nur vorgetäuscht, quasi als Begründung für eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit.

Das schlaue Notizbuch            In den letzten Jahren vor der Währungsreform, die ja 1948 über die Bühne ging, hat er manche hinkende Vorkommnisse mit listigen Augen aufgenommen und sowohl in seinem Gedächtnis als auch in einem stets griffbereiten Notizbuch festgehalten. Dieses Hinken hat er dann auf eines seiner Füße übertragen. Manchmal, wenn er hastig zu einem „brauchbaren“ Ereignis eilt, vertut er sich auch schon mal und hinkt oder humpelt mit dem falschen Fuß. Er ist kurz nach meinem Eintritt in den Dienst des Versorgungsbetriebs, oh unbegreifliches Schicksal, unserem für Postverteilung, kleine Besorgungen und Botengänge zuständigen „Boten“ als Unterstützung zugeteilt worden, benimmt sich aber von Anfang an wie der „Oberbote“. Er ist, was meine persönliche  Informationsquelle anbelangt, genau an der richtigen Stelle. Als „Neuer“ hat er mich sofort zum willfährigen Opfer seiner krankhaften Mitteilsamkeit auserkoren.

Seine Haupttätigkeit scheint darin zu bestehen, in Ruhe alle nicht für sein Interesse bestimmten Posteingänge durchzulesen und auf brauchbare Ränkespiele abzuklopfen. Dann, wenn er etwas Berichtenswertes gefunden hat, kommt er flugs angehumpelt, um mir, dem Neuling kundzutun, in welch schrecklichen Sumpf oder Filz ich geraten bin. Und so erfahre ich nicht nur die aktuellen Geschehnisse, sondern auch die der zurückliegenden Notzeit vor der Währungsreform.

Überlandfahrt              „Eines Tages“, so berichtet er mir nicht ohne Bitternis, „hatten wir einen Lkw mit Rohren und Formstücken als Kompensationsmaterial zum Tausch gegen Butter und sonstige Lebensmittel sowie einen Großgaszähler, einen sogenannten Nassläufer, als brauchbaren getarnten Behälter, beladen. Als wir unser Material gegen Lebensmittel, vorrangig Butter, eingetauscht und letztere im Innenraum des Großgaszählers verstaut hatten, begaben wir uns auf die Rückfahrt. Plötzlich, es war schon dunkel geworden, erblickten wir eine junge fette Ziege einsam auf einer Weide. Nachdem wir das Zicklein seiner Einsamkeit enthoben, geschlachtet und ebenfalls im Innern des Gaszählers versteckt hatten, wurde dieser mit einem Deckel verschlossen und zugelötet.“

Es hat keinen Zweck, den Oberboten  weitererzählen zu lassen, denn das geschriebene Wort kann nicht annähernd seine anwidernde, schleimige Sprechweise verdeutlichen. Schildere ich also besser den Fortgang der unglaublichen aber wahren  Ereignisse, so wie ich sie beim Zuhören empfunden habe, selber. Denn, die Geschichte mit dem einsamen Zicklein auf langweiliger Weide nahm ich ihm ohnehin nicht ab. Wie ich an anderer Stelle erfuhr, war diese Schlachtung mit dem Eigentümer im Rahmen des Kompensationsgeschäftes „Ware gegen Lebensmittel“ vereinbart worden.

Als aufmerksamer „Beichtvater“ erfahre ich so nach und nach, dass der Oberbote sich gegen den Willen der übrigen Überlandfahrer hinzugeschlichen hatte. Im Besitz von Informationen, deren bloße Erwähnung die letzteren gefügig  machte, musste man ihn wohl oder übel akzeptieren. Mit einem vom Hunger gequälten eingeweihten Polizisten hatte man eine bestimmte Gaststätte, die wegen fehlender Gäste als Anlaufstelle geeignet schien, zum Verteilen der auf dem „Fischzug“ geangelten Ware auserkoren. Beim Eintreffen wurde der Polizist im geeigneten Augenblick informiert, man wolle den nicht ungefährlichen Oberboten loswerden. Also erscheint besagter Ordnungshüter breitbeinig und mit todernster Beamtenmiene in der Gaststätte und fragt laut, eindringlich und bedrohlich. „Wem gehört der Lkw draußen?“ Alle schauen vielsagend auf unseren unerwünschten Oberboten, der, die Gefahr witternd, schleunigst durch den Hinterausgang verschwindet und im Dunkel der inzwischen hereingebrochenen Nacht untertaucht. Der Polizist ist beim anschließenden Verteilen der Ware nicht zu kurz gekommen.

Karrieresprung            Der Organisator des Fischzuges hatte sich kurz nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft durch eine handgeschriebene Bescheinigung auf halbierter DIN-A4-Seite (kariertes Papier) vom Heizungsmonteur zum Ingenieur qualifiziert. Dieser Halbbogen weist heute noch einige Fettflecken auf, die er beim „Ausstellen“ in einer fettarmen Zeit davontrug. Neben dem Krickelkrakel der scheinbar abenteuerlich entstandenen Unterschrift sind weder Stempel noch unnötige weitere Paraphen festzustellen. Es handelt sich also um ein typisches und somit zeitgeschichtlich wertvolles Dokument dieser fett- und brotlosen Jahre. Die Mitgliedschaft in einer großen Volkspartei machte diesen Vorgang eines gewagten Karrieresprungs unumkehrbar und für Kenner der Szene begreiflich.

Die Tabakpleite           Die  Aktion mit der Überlandfahrt war also gelungen. Aber in den nächsten Tagen verlangten einige ungeduldige Kollegen den schon seit Wochen im Voraus bezahlten und von ihm fest zugesagten Pfälzer Tabak. Also, da war wohl ohne sein Verschulden irgendetwas schiefgelaufen- oder nicht? Irgendeiner war wohl gerissener gewesen, als unser Schnellschuß-Ingenieur- oder nicht? Nach einer seiner schlaflosen Nächte kommt er am nächsten Tag mit sorgenvollem Gesicht zum Dienst und sagt bedauernd, sich hilfesuchend an einem Schreibtisch festhaltend, der Waggon mit dem Tabak sei in einem Verschiebebahnhof verbrannt. Aus und vorbei! „Wie?,- ja wie, durch Feuer natürlich!“

Unvermeidliche Abhängigkeiten             Es ist jetzt an der Zeit, im Rahmen dieser Schilderungen von einem weiteren Phänomen der Nachkriegszeit zu berichten. Also: Die meisten brauchbaren Fachleute des Versorgungsunternehmens waren während des Dritten Reiches, also der Nazizeit, eher aus Gründen der Chancensicherung und weniger aus Überzeugung Mitglied der Partei geworden. Jetzt befinden sie sich im Stadium der von den Siegermächten als Umerziehung gedachten Entnazifizierung. Da wird der frühere und auch zukünftige Abteilungschef irgendeiner Organisationseinheit als Sperrkassierer eingesetzt und der ehemalige Leiter eines nicht unwichtigen Büros zieht frühmorgens mit neuen Gaszählern los, um diese gegen die maroden alten Hündchen auszuwechseln. Der ehemalige Leiter einer anderen Abteilung muß die Gas-, Wasser- und Stromzähler ablesen, alldieweil ein früherer Kopfschlächter sowohl diese als auch eine weitere Abteilung verantwortungsvoll leitet. „Verantwortungsvoll“ heißt: Die Neuen können diese Aufgabe nur im engen Kontakt zu den im Außendienst umherirrenden wirklichen Fachleuten erfüllen. Ähnlich haben in der zurückliegenden Zeit des Dritten Reiches die fachunkundigen, von der Partei eingesetzten Leiter verfahren. Und da entstehen über einen größeren Zeitraum natürlich die eigentlich nicht gewollten Abhängigkeiten. Immerhin gelingt es einem der genannten und hier aus Datenschutzgründen nicht konkret genannten Außendienstleute, für die ihm nicht liegende Drecksarbeit einen Ersatzmann mittels amerikanischer Zigaretten zu erkaufen, die auf dem Schwarzmarkt immerhin im Schnitt 9 Mark pro Stück kosten. Wie kommt jemand, dessen Frau einen Tabakladen besitzt, an amerikanische Zigaretten? Nicht schwer zu beantworten!

Im Grunde läuft alles in geordneten Bahnen. Nur manche der geschilderten Abhängigkeiten fordern später ihren Preis in Form einer lebenslangen Funktion im Unternehmen oberhalb des in normalen Zeiten für solch mittelmäßige Qualifikationen Vertretbaren.

Und dann gibt es mittlerweile so etwas wie eine Solidarität der Mittelmäßigkeit.

Das Schicksal fordert ein Opfer            Unser Oberbote, der mindestens einmal am Tag mit seinem für Jedermann sichtbaren Notizbuch den Hof des Unternehmens überquert, hat alle im Griff und lässt sie darin nach Herzenslust zappeln. Selbst der über jeden Verdacht erhabene Chef des Versorgungsbetriebes steigt im Hof aus seinem Dienstwagen aus, um den lieben Oberboten mit Handschlag zu begrüßen. Aber bei vielen erwartet unser liebster aller Mitarbeiter mehr als einen feuchten Handschlag. Und so kommt es, wie es kommen muss (wird anschließend hinter vorgehaltener Hand behauptet). Im stadtnahen Wald wartet zwischen den hochstämmigen Bäumen ein böser Windstoß darauf, sich einmal auszutoben. Und das tut er genau in dem Moment, als unser Oberbote vorbeiradelt. Vom Rad gefallen!  Tot!  Unseren treuen Oberboten fand man kurze Zeit nach dem tödlichen Sturz; das Notizbuch aber wurde vom Winde verweht und nie mehr gefunden. Tiefe Trauer im Versorgungsbetrieb. Dieser Tod hinterlässt ein nicht mehr zu schließendes Loch im Unternehmen und böse Vermutungen, die ich nicht zu erwähnen wage. Denn, ich kann keinen wie immer auch vermuteten Zusammenhang erkennen. Der kurzen, geheuchelten Trauer folgt ein tiefes, fast hörbares Aufatmen in allen Büros und Werkstätten. Der Posten des Oberboten wird allerdings aus vielerlei Gründen eingespart.

Zum Kreis der Auserkorenen gehörten in jenen Tagen noch viele andere. Da gab es den für Wohnraumbeschaffung Zuständigen, der die Fähigkeit besaß, für Geld die begehrten, den Heimatvertriebenen zugedachten Lastenausgleichs-Berechtigungsscheine für unsereinen zu besorgen. Sie waren bei der Beschaffung von preisgünstigen Sozialwohnungen unverzichtbar. Das hieß dann schlicht so: Er beschafft LAG-Berechtigungen.

Da die Entnazifizierung zu Ende geht, zieht Ruhe beim Versorgungsbetrieb ein. Man sucht sich eine geeignete Partei, um beim Besetzen der höheren Posten nach dem Proporzsystem dabeizusein.

Wie heißt es: Dabeisein ist alles!

Tragisches Ende        Doch das Ende der Überlebensstrategien und -künste im Versorgungsbetrieb wird plötzlich, unvorhergesehen und radikal durch die Untat eines bisher unbescholtenen Ingenieurs heraufbeschworen. Auf einem Werksgelände liegt noch haufenweise der durch Kriegseinwirkung entstandene Schutt, aus dem hier und da ein leicht gekrümmter Eisenträger hervorlugt. Die ebenfalls auf diesem Werksgelände in den unbeschädigten bzw. reparierten Räumen untergebrachte Werksmannschaft bereitet eine Weihnachtsfeier vor. Der Ingenieur lässt einen der aus dem Schuttberg herausragenden Doppel-T-Träger oberhalb des Schutts mittels Schneidbrenner abtrennen und tauscht dieses so gewonnene Stück Eisen gegen Naturalien für die gemeinschaftliche Feier ein. Ein gewaltiges Vergehen also, gemessen an den nur beispielhaft geschilderten anderen Vorkommnissen. Ein Werksangehöriger, der auf den Posten des Ingenieurs scharf ist, bringt die Sache ins Rollen und der Beschuldigte wird kurz und schmerzvoll entlassen. Das wirkt nachhaltig und für immer. So ist das Leben! Ein Sündenbock ist selten einer der wirklichen Übeltäter. Meist ist er eben zu dumm, um wirkliche Dummheiten zu begehen oder eben, wie in diesem Falle, zu gutmütig. Aber, man liebt den Verrat, nicht den Verräter. Und so wird die vorübergehend vakante Stelle wegorganisiert und der (vermutete) Verräter geht leer aus.

Ein Mephisto?       Mindestens einer der mir bekannten, nach dem Kriege zum Überleben dringend gebrauchten Organisatoren findet im Grunde meines Herzens die verdiente Gnade. Was hätte man statt seiner mit einem pedantischen preußischen Beamten oder Weiße-Westen-Fanatiker anfangen können? War er, der Organisator, nicht ein moderner Mephistopheles unserer Tage? In der Fausttragödie läßt Goethe den Mephisto auf die Frage, wer er sei, antworten: „(Ich bin) Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will, und stets das Gute schafft.“  Das passt nicht ganz, ich weiß. Aber ich verurteile diesen mir persönlich bekannten Beschaffer nicht. Er ist für alle ein verlässlicher guter Kollege ohne Arg und Falschheit. Seitdem seine Schlitzohrigkeit nicht mehr gefragt ist, versieht er seinen Dienst als Ingenieur mit der erforderlichen Korrektheit. Im Vergleich zu seiner Glanzzeit ist diese Korrektheit für ihn sicherlich eine todlangweilige Angelegenheit, die ihn sehr alt aussehen lässt –und auch mit großer Wahrscheinlichkeit nicht sehr alt werden lässt.

Deshalb setze ich ihm, ja  ausgerechnet ihm, hier ein bleibendes Denkmal.

Über dieser bunten Schilderung wird hoffentlich die gewaltige Aufbauleistung des Gros der Mitarbeiter in den Versorgungsbetrieben der Republik, so wie eingangs erwähnt, nicht vergessen!

Die Bezeichnung „Versorgungsunternehmen“ wurde seinerzeit meist nicht falsch verstanden!

 

 

 

 

 

 



Die Gasstraßenbeleuchtung

Mein Einstieg bei den Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerken der Stadt Köln beginnt auf verlorenem Posten, und zwar als Leiter der Gas-Straßenbeleuchtung. Ich erkenne sehr schnell, das diese Beleuchtungsart gegenüber der modernen Leuchtstofftechnik meiner Stromkollegen keine Überlebenschance hat, veranstalte aber in unserer Werkszeitung noch einige Rückzugsgefechte. Ein Beispiel:

 

„Nächtliche Straßenfreundschaft“



„Liebes Gas, ich möchte Dich fragen:

Woll`n wir uns fortan vertragen?

Mag Dich leiden,

will nur nicht,

daß Du abends spendest Licht.

Ich bin Mann und möcht` allein

Abends auf der Straße sein.

Bei dem Braten, Backen, Kochen

Liefern beide wir fürs Stochen.“

 

„Lieber Strom, Du weißt genau,

bin genügsam wie `ne Frau.

Recht beanspruchst stets nur Du.

Niemals lässt Du mich in Ruh`.

Taschen hast Du voller Geld,

das Dich stets zuoberst hält.

Doch ich möcht` Dir freundlich sagen:

Du sollst nicht zu vieles wagen!

Probst stets neue Lampen aus,

wirfst mich aus den Straßen raus,

willst Dich in alle Gäßchen zwängen

und an alle Häuser hängen.

Glaub, Du bist ein Mogelpeter.

Du hängst alle zwanzig Meter.

Gaslaternen- doof und kleen—

alle sechzig Meter steh'n

und dabei zu meinem Leid,

meistens nur auf einer Seit'.

Lieber Strom, ich zeig' Dir gern,

dass auch ich bin hochmodern.

Doch es braucht nun einmal Geld,

wer auf gute Kleidung hält.

Was Du kostest Nacht für Nacht,

hast mir schriftlich nie gebracht.

 

Reihenleuchten spenden Licht,

das für meine Gattung spricht

Musst nach Klettenberg nur geh'n,

kannst sie auf dem Gürtel seh'n."

 

"Still,- wir wollen ja zusammen

weiter Nacht für Nacht entflammen

und in unserm lieben Köllen,

Straßen, Gassen schön erhellen.

Zweisam wird noch manche Nacht

von uns beiden zugebracht."

 

"Lieber Strom, ich wusst es ja!

Nun ist Gleichberecht'gung da.

Mit dem Streiten ist jetzt Schluss!

Gib mir bitte einen Kuss!"

 

 

 

 

Als bei einer organisatorischen Änderung unseres Ri genannten Fachbereichs für einen älteren Kollegen eine geeignete Funktion vor seiner Pensionierung gesucht wurde, erhielt er auf meinem Vorschlag hin die ebenfalls vor der endgültigen Pensionierung stehende Gasstraßenbeleuchtung.

 

 

 

 

 

Ich wurde später beauftragt, die Abteilung Gas- und Wasserrohrnetz-Neubau aufzubauen und zu leiten. Erst viel später kam die Fernwärme noch hinzu.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wenn man als junger Mensch an jedem 3. Wochenende zum Bereitschaftsdienst herangezogen wird und diesen unentgeltlich ableisten muss, kann man durch eine lustige Veröffentlichung in der Werkzeitung für Abhilfe sorgen.

 

Kurze Zeit nach Veröffentlichung des nachstehenden Artikels wurde der Bereitschaftsdienst mit 70 DM/Monat fürstlich entlohnt.

 

Immerhin!


 

Ähnlich erfolgreich ist meine lustige Zeichnung (die ein leichtes Augenzwinkern verrät) über den GEW-Ingenieur in Motorradkluft.


Hier wurde als Reaktion kurfristig ein Umstieg vom Motorrad als

fahrbarer Untersatz auf den BMW-Kabinenroller Isetta erreicht.

 

Siehe entsprechende Veröffentlichung in der Werkzeitung ----> hier unter Witzecke

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Herrjeh,- war es heute schnell dunkel geworden. Erst fegte der Abendwind mit ein paar Wolkenfetzen die letzten Lichtstrahlen vom Himmel. Dann legte sich eine schwarze, nieselnde Decke über die Stadt.

 

„Mistwetter“ schimpften die Leute; und die so schimpften gingen eiligst nach Hause. Nur Gerda trieb sich noch in den regennassen Straßen und Gassen umher. Gerda ist nicht gerade hübsch. Nee- das könnte man als Mann mit Geschmack  nicht gerade behaupten. Und doch-. mit zwei oder drei Männern scheint sie immer unterwegs zu sein. Dabei wechselt sie die Männer am Tage mehrmals. Was mag wohl die ältere Dame so Anziehendes an sich haben?-

 

Einige Leute sagen, sie möchten auch gerne bei ihr sein. Nicht wegen- - - na ja, sondern es lohne sich finanziell. Dabei ist ihre Tätigkeit nicht unbedingt kriminell zu nennen, wenn sie auch bei manchen nächtlichen Aufbrüchen zugegen ist. Natürlich wird diese „Wühlarbeit“ ausschließlich von ihren männlichen Begleitern ausgeführt, während sie selbst scheinbar teilnahmslos irgendwo am Straßenrand steht. Immerhin steht außer Zweifel, dass sie die Hauptstütze bei diesen nächtlichen Unternehmen ist. Ähnlich wie in Chikago wird das Ganze von einer Zentrale aus gesteuert. Soviel mir bekannt ist, sind die Behörden bereits von dem Bestehen dieser Zentralstelle unterrichtet. Dennoch wurde bisher von einer polizeilichen Fahndung abgesehen. Dies ist wiederum einleuchtend, wenn man bedenkt, dass diese Zentrale mit bekannten Persönlichkeiten der Behörden gemeinsame Sache macht.

 

Vor einiger Zeit erfuhren die staunenden Kölner Bürger aus der Tagespresse nähere Einzelheiten über das Wesen und Treiben der alten Dame. Alles, was in die Schlagzeilen einer Zeitung gerät, wird bekanntlich schonungslos ins grelle Licht der Öffentlichkeit gezerrt. So tauchten in den Veröffentlichungen, wie zu erwarten war, Namen von Angehörigen der Verwaltung auf. Unter anderem wurde ein „Herr D.“ erwähnt und sogar abgebildet. Ich sah einige Leute in der Straßenbahn beim Lesen des Artikels und aus ihrem halblauten Gemurmel hörte ich immer wider eines heraus: „düster“. *)

 

Die Polizei hingegen verhielt sich weiterhin passiv. So darf es uns nicht wundern, dass in Köln inzwischen fünf solcher Damen tätig sind. Übrigens sind einige ausgesprochene „Schönheiten“ darunter. Die „Alte“ soll jedoch auch weiterhin bei den Aktivsten sein,- hört man munkeln. Und das, obwohl sie schlecht hört und nur noch undeutlich sprechen kann. Am Telefon krächzt sie wie ein sterbender Papagei.

 

Ich will nicht erzählen warum.- 

Aber heute Abend sitze ich zu Hause und erwarte ihren Anruf. Man nennt so etwas Schmiere stehen. Nicht einmal Geld nehme ich dafür. Ich mache es ganz umsonst. Nee, - warum habe ich mich nur dazu überreden lassen? Bin doch ein ausgemachter Trottel! (Nicht wahr, lieber Leser?)  Draußen regnet es in Strömen. Da, - brr – Telefon! Eine männliche Stimme meldet sich:

„Hier ist Gerda 5. Ein Wasserrohrbruch in der Haumannsgasse.“ Gerda holt mich in einigen Minuten ab. Sie ist nämlich unser Entstörwagen.

 

                                                            *)   Der zuständige Betriebsdirektor heißt

                                               Düsterdick                                                                                                                                                                                             V. Weber, GW

 

 



Mannecken Pis 1958

In diesen Jahren der Schwarm vieler Deutscher: Paris             

Das Jahr 1958 ist für meine junge Frau Gisela und mich voller Neuigkeiten und Erlebnisse. Zunächst fahren wir über Pfingsten 8 Tage mit der Volkshochschule Köln nach Paris. Da ich ohnehin bei der VHS einen Abendkurs in französischer Sprache belegt habe, vereinigt diese Fahrt für mich etwas Praxis in Fremdsprache mit einer ganzen Menge kultureller Information, letzteres, zumal  der „fachliche Begleiter des Kursus“ als junger Dozent von der Kölner Werkschule geradezu ideal für die Erklärungen in den Museen der französischen Metropole ist. Wie wohltuend hebt sich seine Art, uns die Epochen der europäischen Malerei und Bildhauerei nahezubringen, von den meist trockenen,  im Laufschritt dargebotenen Aufzählungen von Künstlern und Stilrichtungen ab! Meist nimmt er sich, zum Beispiel im Louvre, ein für Maler und Epoche typisches Bild vor und erklärte dies so lebendig und verständlich, dass sich immer  eine lange Schlange von„Mithörern“ bildet. Dann lässt er uns genügend Zeit, andere Bilder dieser Kunstrichtung in beliebiger Anzahl und Auswahl unter diesem Aspekt selbst zu interpretieren. Das gibt keine Gewaltmärsche durch die Museen!

Plötzlich ist ganz Paris aus dem Häuschen:

Die Vierte französische Republik liegt im Sterben

und de Gaulle stellt sich gegen den Willen der französischen Linken zur Verfügung, „La Grande Nation“  zu retten. Auslöser für die Krise und die abendlichen Tumulte auf den Straßen der Hauptstadt ist Algerien, von Frankreich als Teil des Mutterlandes angesehen*, von den Algeriern selbst als unabhängiger Staat gefordert. Da in Algerien viele Europäer in der dritten Generation leben, von den Mutterlandfranzosen „Les pieds noirs“ , die Schwarzfüße, bezeichnet, tobt wegen der Interessengegensätze sowohl auf dem Lande als auch in den algerischen Städten ein unbarmherziger und grausamer Guerillakrieg. Übrigens: Von den Demonstrationen auf den Pariser Straßen bemerken wir nichts, da sie mit genauer Ortsangabe angekündigt werden und wir uns anderen abendlichen Vergnügen an anderen Plätzen der riesigen Hauptstadt zuwenden. Die an den Kiosken angebotenen deutschen Zeitungen berichten hingegen an den jeweils folgenden Tagen von schlimmen brisanten Situationen in Paris, Sie raten dringend von einem Besuch dieser Stadt ab und untermauern diesen wohlgemeinten Rat mit entsprechenden Fotos.

Dann hat plötzlich tagsüber, während das ahnungslose Volk in Fabriken, Büros oder Hörsälen zubringt, der bisherige Präsident der Republik das Zepter in die väterlichen Hände Charles de Gaulles gelegt. Zunächst ist das sowohl für die Pariser, als auch für unseren Kursusleiter, der mehrere Jahre an der Universität Sorbonne in Paris zubrachte und dort modernes franzö-sisches Denken vermittelt bekam, unfaßbar. Doch dann ändert sich die Stimmung bis zum Abend radikal. Jetzt, in der Dunkelheit sind die Straßen der Hauptstadt voller rasender Autos mit heruntergedrehten Fenstern, aus denen heraus die das Victoire- Zeichen symbolisierenden Hände gestreckt werden. Und dazu dieses ohrenbetäubende Tuten: Algérie Française *, Algérie Française.........! Lang-lang-kurz-kurz-kurz,wie beim Morsen. Das geht so die ganze Nacht über und ich stelle mir die Frage, ob das „Hosianna, kreuzige ihn“ nicht ein fortwährendes menschliches Verhalten ist. Jedenfalls weint am andern Morgen niemand der sanft entschlafenen Vierten französischen Republik auch nur eine Träne nach. Tagsüber sitzt oder steht man wieder brav in Fabriken, Büros oder Hörsälen und die Abende verlaufen erfrischend ruhig, ohne jedwedes Demonstrieren. Frühling einer neuen, einer Fünften Republik!

Übrigens hat das unübersehbar praktizierte Herausstrecken des linken Armes aus dem heruntergekurbelten Autofenster eine nur hier in dieser Stadt geltende Bedeutung, die man nicht missachten sollte. Es soll den übrigen Verkehrsteilnehmern signalisieren: „Das Fenster ist offen“. Sonst nichts!

In der leicht stickigen Luft der Métro bestätigt sich bei meiner Frau die Ankündigung von Familienzuwachs, der dann aber über Sylvester hinaus bis zum Neujahrsmorgen 1959 auf sich warten lässt.



*) Algérie française

Mit diesen Fahnen geschmückte Autos machen allabendlich die Straßen der Hauptstadt unsicher.



Die Bouquinisten an der Seine

Übrigens hat das unübersehbar praktizierte Herausstrecken des linken Armes aus dem heruntergekurbelten Autofenster eine nur hier in dieser Stadt geltende Bedeutung, die man nicht missachten sollte. Es soll den übrigen Verkehrsteilnehmern signalisieren: „Das Fenster ist offen“. Sonst nichts!

In der leicht stickigen Luft der Métro bestätigt sich bei meiner Frau die Ankündigung von Familienzuwachs, der dann aber über Sylvester hinaus bis zum Neujahrsmorgen 1959 auf sich warten läßt.

Im Sommer machen wir Urlaub in Garmisch-Partenkirchen, mit Abstecher nach den Dolomiten und Venedig.

Dann kommt zu allem noch ein Besuch der Weltausstellung in Belgiens Hauptstadt Brüssel. im Oktober desselben Jahres hinzu. Siehe hierzu die nicht ganz ernst gemeinte Karikatur von Brüssels Wahrzeichen, dem Manneken Pis. Neben der Weltausstellung hat die Belgische Metropole sicherlich interessanteres zu bieten, als dieses Männlein, zum Beispiel La Grande Place, Hôtel de Ville (Rathaus) und Maison du Roi. Aber das Manneken Pis ist     zumindest einmalig in Europa. Welche Bewandtnis hat es denn damit? Nach der einen Lesart verkörpert das im 17. Jahrhundert von Duquesnoy geschaffene Denkmal den rebellischen Geist der Bürger dieser Stadt, durch die hindurch die Sprachgrenze zwischen dem wallonischen Französisch und dem flämischen Niederländisch verläuft. Die andere Version besagt, ein betuchter Bürger der Stadt, dessen Junge weggelaufen war, habe die Stiftung einer Statue versprochen, die den Jungen so zeigen soll, wie er an der „Fundstelle“ angetroffen würde. Eine dritte Lesart besagt, es habe sich bei dem weggelaufenen Knaben um den Sohn des Königs gehandelt. Genug!



Das Manneken Pis in Brüssel

Diese unsere Reiselust im Jahre 1958 überträgt sich auf unsere im Anmarsch befindliche erste Tochter, wie sich später zeigen wird. Nach jedem Urlaub der folgenden Jahre wird sie weinen, sobald unser Zuhause wieder in ihr Blickfeld kommt. Sie wird stets ieber unterwegs sein als daheim. Aber so sind die ersten Jahre mit fahrbarem Untersatz: Ganz Deutschland reist! Die Reisewelle rollt!

 

 „Ein Volk auf Walze.

 Wer walzt mit?

 Einfach herrlich, das Fazit!“

                   



Farbenschwäche oder die andere Sicht der Dinge

 

Der menschliche Geist spiegelt ein Universum,

das den menschlichen Geist spiegelt.

                                                           Pierce

 

Fast jeder Mensch hat mindestens einen Schwachpunkt. Meiner ist die Farbenschwäche, nicht Farbenblindheit(!). Sie soll laut Statistik bei etwa 10 % der Männer, nicht aber bei den Frauen bestehen, obwohl sie über die Mütter vererbt wird. Diese Tatsache führt in Amerika zu anderen Konsequenzen als bei uns in Deutschland . Der Amerikaner ist stets gewillt, das Positive eines bestehenden Problems herauszufinden. Und so hat man in Amerika festgestellt, daß Menschen mit angeborener Farbenschwäche durchweg nie nachtblind, also bei Nacht sehr verkehrstüchtig sind. Außerdem sind Männer mit Farbenschwäche die besten Scharfschützen. In Deutschland ignorierte man lange Zeit die Tatsache, daß Autofahrer mit Farbenschwäche ihr scheinbares Handikap durch eine Schärfung des Erkennens von Helligkeitswerten ersetzen, so wie ein Mensch mit Gehbehinderung einen Stock zur Hilfe nimmt. Und über diesen Umweg kann er zum Beispiel das grüne Ampellicht eindeutig vom roten unterscheiden.



Was läuft denn da wohl schief in meinen Augen oder meinem Gehirn? Wer neben seinem Computer auch einen Tintenstrahldrucker sein eigen nennt und die Abdeckung des Letztgenannten in die Höhe hebt, wundert sich, dass die Farbenvielfalt seines Druckers von nur drei Buntpatronen geliefert wird. Es sind die Farben Rot Grün und Blau. Und nun entstehen durch Mischung all die anderen Farben mit einer Vielzahl von Nuancen. Mischt man z.B. Rot und Grün, entsteht Gelb. Mischt man Rot und Blau, entsteht Violett.

 

Kommen wir zum Auge zurück. Hier findet man verschiedene Sorten von farbempfindlichen „Farbrezeptoren“, die sogenannten Zäpfchen, vor. Jedes dieser Zäpfchen hat eine besondere Empfindlichkeit für bestimmte Farbbereiche. Dies sind die Primärfarben des Auges. Wird ein Gegenstand mit gelber Farbe vom Auge aufgenommen, werden durch das einfallende Licht in das Auge das rotempfindliche Zäpfchen und das grünempfindliche Zäpfchen erregt, usw. Zu meiner Farbsehstörung kommt es durch optische Täuschungen. Bei unter-schiedlichen nebeneinander liegenden Farben muss das Gehirn in diesen schwierigen Grenzsituationen die Zuordnung treffen. Vielfach entscheidet das Gehirn dann falsch. Leichte Grünanteile in einer Farbe (z.B.) werden nicht wahrgenommen und es kommt zu einer falschen „Farbvorstellung“. Dagegen wird knalliges Grün immer unschwer erkannt.

 

Es ist typisch deutsch, ausschließlich das Negative eines Problems zu berücksichtigen und den jeweils betroffenen Personenkreis, um  Enzensberger zu zitieren, mit einer lähmenden Vormundschaft zu belegen. Eine Zeit lang durfte ich wegen der bei mir festgestellten Farbenschwäche im Dienst kein Fahrzeug selbst steuern, auch nicht zur ausschließlich eigenen Fortbewegung. Man hatte bei mir den für Busfahrer geltenden Maßstab zugrunde gelegt.

Aber diese dienstlich verordnete zeitweise Abstinenz hatte ein Gutes: Ich begann nachzudenken. Wenn ich also die Welt, wenn auch nur in Teilen, anders sehe, als ein Farbenstarker, so gilt für mich auch eine andere „Wirklichkeit“. Wenn Erkenntnis und Wissen ein „Bild“ der Welt an sich, also für alle geltend und somit allgemeingültig, wiedergeben sollen, müssen unsere Sinne uns dieses Bild objektiv vermitteln. Und da stehe ich als Farbenschwacher bereits vor einem Scherbenhaufen der anmaßenden, primitiven Wissenschaftsgläubigkeit. Die Verläßlichkeit der Wahrnehmungen läßt mich einfach im Stich! Wissen und Wirklichkeit stimmen nicht überein. Vermeintliche Wirklichkeiten sind teils vermutet, geglaubt, angenommen oder sogar erfunden.  Ist dann überhaupt eine Wirklichkeit „an sich“ erkennbar? Ist dann, um noch weiter zu fragen, eine Realität des Universums „an sich“ erkennbar? Nach Jean Guitton ist Realität weder kausal noch lokal, sind Raum und Zeit nur Abstraktionen, also reine Illusion. Die einzige unmittelbare Wirklichkeit ist demnach sie psychische der Bewußtseinsinhalte. Diese können sowohl rein geistiger als auch materieller Herkunft sein. Dieses Problem scheint mir zur Zeit schwer zu vermitteln, weil die laienhafte Anschauung stets Wirklichkeit mit Stofflichkeit verbindet, obschon der Begriff der Immaterialität den der Realität nicht ausschließt. Warum ist das so? Nun, ich denke, der dialektische Materialismus, zusammen mit einem primitiven FDJ-Atheismus haben in Deutschland die auf der Quantentheorie Max Plancks fußenden jüngsten Erkenntnisse der modernen Physik verdrängt. Und diese ach so praktische Alltagsphilosophie ist von Ost nach West übergeschwappt und wird, von hemdsärmeligen Kommentatoren, Journalisten und Schriftstellern  messianisch verbreitet, vom Massenmenschen befreiend empfunden und liebend gerne angenommen.

                     Die Quantentheorie Plancks, die Unschärferelation Heisenbergs und die Korpuskel-Wellen-Lehre de Broglies beweisen mit den Methoden des Verstandes dessen grundsätzliche Unfähigkeit, alle Details der Welt, geschweige denn ihren Sinn zu erkennen. Angesichts dieser Rätsel gibt es nur zwei Haltungen. Die eine führt zum Absurden, die andere zum Geheimnis. Die letzte Wahl zwischen beiden ist, im philosophischen Sinne, meine höchste Entscheidung. Es ist, anders formuliert, die Entscheidung zwischen Hochmut und Demut. Der erste war im Deutschland des 20. Jahrhundert katastrophal ausgeprägt.

 

 
   


Um aber zu meinem praktischen Problem zurückzukehren: Man ist dann in unserem Betrieb mit der Zeit dahintergekommen, daß lähmende Vormundschaften sich vielfach zu institutionalisierten  Sabotagen auswirken (die rigorose Anwendung der Prüfung für Busfahrer auf Farbtauglichkeit hatte zu Problemen beim Einsatz von Berufsfahrern für Personentransporte und zum Weggang von verärgerten hochwertigen Mitarbeitern geführt), und so  wurde ich „im amerikanischen Sinne“ nochmals geprüft und für fähig und würdig befunden, meinen privateigenen PKW dienstlich zu benutzen und selbst zu steuern. 

 

Jeder sieht die Welt mit seinen eigenen Augen. Hier: Weidende Pferde (die roten Pferde) von Franz Marc.



Das waren kleine Episoden im Berufsleben eines Landflüchtigen, das in Gänze folgende Überschrift rechtfertigt:

 

Erfülltes Leben

 

Da die Eifel viel zu arm,                       Ich fand, von all‘dem abgeseh’n,

um alle zu versorgen,                          Arbeit, die mich beglückte

die im großen Kinderschwarm,              und eine eine Frau, die jung und schön,

früh kannten Not und Sorgen,                mich in ihr „Kölnsein“ drückte.

 

zog‘s viele aus der Heimat fort,              Vierzig Jahre wurd‘ geschafft

vor allem in die Städte.                          als Ingenieur in Köllen.

Köln wurd‘ zum großen Zufluchtsort,       Von Wasser-, Fernwärm-, Gaswirtschaft,

„wo man ‘ne Zukunft hätte“.                   könnt‘ manches ich „verzällen“.

 

Dies frühe Kämpfen ist nicht schlecht       Doch das lass‘ ich lieber sein,

für späteres Fortkommen.                       nur eines, das mich freute:

Denn wo die Jugend „mundgerecht“,         Der Tunnel unterm Vater Rhein

muss eigner Schneid verkommen.            für Fernwärme von heute.

 

Kölner wurde ich dereinst,                Der Westwind trieb mich dann gen Ost 

doch Eifel blieb im Herzen.                nach dem Fall der Mauer

Dank schnellem Auto und A 1            und dem End‘ von Deutschlands Frost,

lässt sich dies gut verschmerzen.       doch nicht als ein Zuschauer.

 

Doch ich lieb auch diese Stadt,           Kontakt der Menschen ward gefragt

wo jeder sich wohlfühlet,                   und nicht ein „Besserwissen“.

der einen Nerv für Frohsinn hat          Auch wenn es manchem nicht behagt:

und nicht auf Sturheit zielet.               „Der Hochmut ließ oft grüßen!“

 

                                     Drum, eines ich von Herzen grüß;

                                     es freut mich immer wieder,

                                     dass „Goldgräbern“, link und mies,

                                     gestutzt wurd‘ das Gefieder.

 

 

 

 

 

 



Gedanken über einen Betriebsausflug (1)

Die Betriebsausflüge, vom Betriebsrat organisiert und dem Unternehmen finanziert, sind eine dankenswerte Einrichtung zur Verbesserung des Betriebsklimas bei GEW und des Betriebsergebnisses der Kölndüsseldorfer Rheinschiffahrt, der Bundesbahn und von einigen Busunternehmen. Selbst unser Herr Generaldirektor scheint diese Fahrten und die dargebotenen Getränke „zu genießen“. Aber irgendwann kommen neue Betriebsräte und jüngere Vorstandsdirektoren mit „moderneren“ Vorstellungen und Hals über Kopf sind die Betriebsausflüge per Beschluss durch einen zusätzlichen Urlaubstag zur freien Verfügung eines jeden Mitarbeiters ersetzt worden. Welch geniale Idee! Der verzweifelte Versuch der Mitarbeiter, die ohnehin reichhaltig bemessenen Urlaubstage innerhalb des jeweiligen Urlaubsjahres unterzubringen, misslingen jetzt vollends. Aber das Bilden von Gemeinschaftsgefühl in den Organisationseinheiten ist jetzt gottseidank so stark reduziert worden, dass man ohne ernsthaften inneren Widerstand an das Schaffen von Großraumbüros zum Heilen von Organisationsmängeln und Bilden immer neuer Organisationsformen herangehen kann. Mit dem Personal lassen sich die Büromöbel in den Großraumbüros problemlos hin und herschieben. Spaß bei Seite! Die Liberalisierung der Energiemärkte macht Ende des Jahrhunderts eine Anpassung der Organisationsform des Unternehmens an die geänderten Rahmenbedingungen tatsächlich  zwingend erforderlich. Also weise Voraussicht? Ja doch!

Anstelle der Betriebsausflüge sind jetzt andere Reisen und Veranstaltungen erforderlich geworden. Beispiele: Ein halbwegs gefügiger Aufsichtsrat darf auf jährliche Exkursionen zu wichtigen Versorgungseinrichtungen in schöner Landschaft hoffen. Die Entscheidungsfindung wird bei einem auf diese verträgliche Art und Weise erweiterten Horizont spürbar erleichtert. Zu den ebenfalls jährlich stattfindenden Karnevalssitzungen der GEW muss man im Interesse des Unternehmens weniger die verdienten Mitarbeiter als vielmehr die (mit)verdienenden  Geschäftspartner einladen. Aber Betriebsausflüge? Welch abwegiger Gedanke!

Und nun kommt mir da eine Idee: Könnte man nicht für Betriebsangehörige, Aufsichtsräte und Geschäftspartner einen gemeinsamen wunderschönen Tagesausflug auf unserem Vater Rhein veranstalten? Ich weiß, das ist kindisch. Denn eine Rheintour ist höchstens etwas für den Kaiser von Japan.*)

 

*) Für Kaiser Hirohito war die Rheinfahrt der Höhepunkt seiner Deutschlandreise.



Gedanken über einen Betriebsausflug(2)

 

 

Mit froher Laune- kurz vor Neun-                                  

steigt man in Zug und Bus hinein.

Und schon `ne Viertelstund nach Zehn

Ist Hönningen das Ziel zu sehn;

und aus des Bahnhofs engem Tor

Quillt nun ein Menschenstrom hervor.

In der Kapelle „Hörnerklang“

Tönt hier und da schon leis Gesang.

Und als das Städtchen wird durchquert,

hat Polizei hübsch abgesperrt.

Nachdem man ins Lokal marschiert,

wird Bier und edler Wein serviert.

Als sich der letzte Stuhl „gefüllt“,

ist schon der erste Durst gestillt.

Begrüßungsreden sind verklungen

und an der Theke wird gesungen.

Wie das nun einmal auf der Welt,

werd`n Frau und Töchter vorgestellt.

Damit das Städtchen sauber ist,

ein Regenschauer sich ergießt.

Auch sonst ist alles gut durchdacht:

Gen Zwölfe Essen wird gebracht

Und schmecken tut das Essen auch,

geht rinn in Mund und dann in Bauch.

Bei dem, der trinkt in einem fort,

geht’s später wieder über Bord.

Wohin es weiter wandert dann,

man leider nicht verfolgen kann.

Mit des Thermalbads warmen Wellen

wäscht mancher sich an allen Stellen.

Der eine fährt zum Wiedbachtal,

der andre schifft per Boot einmal.

 

Um Zweie fasst man sich am Händchen,

lauscht der Kapelle schönem Ständchen.

Die Tanzmusik um Vier erklingt,

der Saal ist voll.- Man tanzt und springt.

Wer nicht tanzt, bleibt auf seinem Stuhl

und schaut hinein in das Gewuhl.

Das Abendbrot isst man gewandt,

da`s Messer fehlt, hübsch mit der Hand.

 

Nachdem die Bissen sind verschwunden,

vergehn zu schnell die schönen Stunden.

Mein Gott! So mancher, der bejahrt,

hat sich mit jungem Blut gepaart,

tanzt elegant mit vollem Schwung.

Manch altes Herz wird wieder jung.

Doch Bahn und Bus sind ohne Herz



und fahren pünktlich köllenwärts.

Verlassen sind nun Stuhl und Bank.

Den Regisseuren – tausend Dank!



Fachliches Segeln statt zielgerichteter Linienflug (zunächst) oder

 

Umstellung der Kölner Gasversorgung von Kokerei- auf Erdgas (1970 bis 1972)

 

Moselwein und Meinungen zum Erdgas       

An der Mosel, wie in allen Weinbaugebieten Deutschlands, reifen jetzt im Herbst 1967 die Trauben. Generaldirektor, Vorstandsdirektoren und Betriebsrat der GEW-Werke Köln AG machen eine, der guten Zusammenarbeit dienende Tour nach Kobern an der Mosel. Vor dem Abendessen steht wieder, wie in letzter Zeit bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, das Thema „Erdgasumstellung“ an. An die Stelle intensiver qualifizierter Untersuchungen einer mittelfristig zu erwartenden Wirtschaftlichkeit auf der Basis recht gut zu bestimmender Kosten und prognostizierter Erträge tritt bei solchen Anlässen ein Frage- und Antwortspiel. Hierbei wird mit Vorliebe Kopfrechnen geübt und mit großen Zahlen so jongliert, als handle es sich um ein amüsantes Gesellschaftsspiel. Es ist dies eine gar nicht so schlechte Masche, die ich erst mit der Zeit durchschaue, neben den ernsthaften Bearbeitungen in den zuständigen Organisationsbereichen weitere Meinungen, Gedanken und Bedenken in Erfahrung zu bringen. So haben zum Beispiel Juristen und mehr zu Kämmerer-Tätigkeiten neigende Soll-und- Haben-Spezialisten Gelegenheit, strategische Fähigkeiten zumindest zu üben.

Man hört dann vermutlich mehr „Meinungen“ als Untersuchungsergebnisse. Zum Beispiel:   „Wegen der hohen Umstellungskosten ist jedes Jahr Verschiebung der Umstellung ein Gewinn für GEW“. Als ob GEW den Zeitpunkt nach Belieben bestimmen könnte. Aber dem ist nicht so!

Die Umstellung der Kölner Gasversorgung von Kokerei- auf Erdgas, kurz „Erdgasumstellung“ genannt, ist im wesentlichen vom Terminkalender der Ferngasgesellschaften Ruhrgas und Thyssengas abhängig, die sowohl (vorerst noch) das Kokereigas, als später auch das Erdgas liefern. Nach deren Vorstellung steht das Erdgas im Kölner Raum ab 1969 an. Ab diesem Zeitpunkt ist für Kokereigaslieferung nur noch ein Teil der Ferngas- Transportkapazität verfügbar.



 

 
   


Den Vorteilen der Umstellung (Erhöhung der Energie-Transportkapazitäten, Erhöhung der Erträge bei entsprechend auszuhandelnden Erdgaslieferverträgen und einer beträchtlichen Zunahme des Gasverkaufs) steht ein zunächst starkes Ansteigen der Kostenkurve (hohe Investitionen für Rohrnetzertüchtigungen, -erweiterungen und die Umstellkosten) gegenüber. Es muß eine Planungs-grundlage erstellt werden, die auf eine Verschiebung des Schnittpunktes von Kosten- und Rohertragskurve (siehe Skizze) nach links hinausläuft. Die Jahreszahl 1997 hat nichts mit der Kölner Situation zu tun, sondern stammt aus meiner Tätigkeit als Berater in Ostdeutschland.

Die Vorgehensweise bei der Umstellung der Rohrnetze, in zeitlicher Abhängigkeit von der Geräteumstellung in den Haushalten, ist in der Abhandlung „Vorbereitung der Erdgasumstellung in Dresden, Anfang 1992, näher erläutert.  Es wird auch empfohlen, alles weitere im Buch  „Mit Energie für Köln“ nachzulesen. Der zeitliche Ablauf der Erdgasumstellung hat sich wie folgt ergeben:

 

Zeitlicher Ablauf von Vorbereitung und Realisierung der Erdgasumstellung in Köln

 

1967                                              Beginn der Odorierung

Zusatz von Geruchsstoffen zum Gas zwecks sicherer Auffindung von Undichtheiten, insbesondere in der Hausinstallation

.

                                   Netzanalyse mit elektronischer Rohrnetzberechnung (EDV).

                        

                                   Gasrohrerneuerungsprogramm auf der Basis der Rohrnetzanalyse

 

1968                                              Schaffung der Ausgangsgrundlagen und vertraglichen Voraussetzungen für die Erdgasversorgung

                                   Kölns.

 

                                   Beginn der Vorbereitung des Gasverteilungsnetzes

-          verstärkte Netzertüchtigung

-          Netzerweiterung.

 

09.09.1968                                 Die letzte Gaslaterne Kölns wird gelöscht.

 

1969                                              Verstärkte Fortsetzung der Netzertüchtigung.

 

Erneuerungsprogramm „alte Gas- Hausanschlußleitungen“

 

Im Rahmen der Netzerweiterung: Aufbau eines Gas- Hochdrucknetzes.

 

Erhöhung der Einspeiseleistungen in die Rohrnetze durch Neubau und Erweiterung vorhandener Stationen.

 

1970                                              Fortsetzung der Umbau- und Erweiterungsarbeiten an Gasbezugs- und Regelanlagen (Neubau von

11      Netzstationen)

 

                                  Auswechslung sämtlicher Odorieranlagen

 

                                   Fertigstellung der neuen Erdgas- Übernahmestation „Merkenich“

 

18.07.1970                                Beginn des Erdgasbezuges.

Die Firma Klöckner- Humboldt- Deutz (KHD) bezieht Erdgas über unser Gas-Hochdrucknetz

 

27.07.1970                                 Die Firma Fordwerke AG bezieht Erdgas über unser Gas-Hochdrucknetz.

 

21.09.1970                               Beginn der flächigen Erdgasumstellung ab Köln- Ehrenfeld

Umstellung der Gas- Mitteldruck- und -niederdrucknetze ; um 10.55 Uhr wird in Köln-Bickendorf der erste erdgasgespeiste Herd gezündet.

 

1971                                              Fortsetzung der Umstellung der Mittel- und Niederdrucknetze und Gasverbrauchseinrichtungen.

 

                                   Umstellung von 22 Netzstationen auf Erdgas

 

                                   Fortsetzung der Verlegung von Gas-Hochdruckleitungen, insbesondere zu den GEW-eigenen

                                   Heizkraftwerken.

 

                                   Bau von Hochdruck- Abnehmerstationen, insbesondere für die Heizkraftwerke und Heizwerke.

 

                                   Fortsetzung der Odorierung beider Gasarten (Erdgas und Kokereigas)

 

                                   Fortsetzung  des Gasrohrerneuerungsprogramms

 

1972                                              Fortsetzung des Gasrohrerneuerungsprogramms

 

Abdichten von Rohrverbindungen (Außendichtung und Spülverfahren)

 

Umstellung des letzten Bezirks im Juni 1972

 

21.08.1972                               Der Kokereigasbezug GEW wird offiziell eingestellt.

 

 

Damit hat Köln als einzige deutsche Großstadt die Umstellung der Gasversorgung von Kokerei- auf Erdgas in einem Zeitraum von nur 2 Jahren geschafft. Wegen der laufend aufrecht erhaltenen Stabilität, sowohl des wachsenden Erdgasnetzes, als auch des schrumpfenden Kokereigasnetzes, gab es zu keinem Zeitpunkt, auch nicht während der Winterverbrauchsspitze, irgendwelche Versorgungsengpässe. Dies ist nicht zuletzt auf die Prüfung aller kritischen Phasen der Netzumstellung durch elektronische Rohrnetzberechnungen zurückzuführen. Die kritischsten Umstellphasen sind: Der Beginn der Netzumstellung, die Umstellung während der Winterverbrauchsspitzen und die letzte Umstellphase. Die konsequente Beibehaltung der einmal festgelegten Marschrichtung, die zu dieser schnellen Erledigung einer komplexen Aufgabe führte, verdanke ich meinem damaligen Hauptabteilungsleiter, Herrn Rudolf Schemmel.

Neben der bedeutenden Steigerung der Wirtschaftlichkeit der Gasversorgung ist der ökologische Vorteil des Erdgases gegenüber dem Kokereigas hervorzuheben. Im Erdgas sind Staub und Schwefeldioxyd so gut wie nicht vorhanden. Die Stickoxide sind aufgrund einer ausgereiften Minderungstechnik auf sehr niedrigem Niveau und der Anteil von Kohlendioxyd ist bei Erdgas gegenüber der Braunkohle etwa 50 % geringer.

 

 Was ist schöner als eine Bestätigung der theoretischen Annahmen durch die Praxis?

 

Erfolgserlebnisse tendieren zu Wiederholungen oder weiteren Verbesserungen, sie sind zumindest Motivation. Natürlich treten während einer langjährigen beruflichen Tätigkeit auch Enttäuschungen auf. Die muss man verkraften und als eine Herausforderung für Verbesserungen ansehen und positiv nutzen. Wie sagte Hegel?

                                Wenn die Tatsachen nicht mit der Theorie übereinstimmen-

                                       um so schlimmer für die Tatsachen.

Bitte diesen Gedanken richtig deuten!

Die bei Vorbereitung und Realisierung der Umstellung gesammelten Erfahrungen kann ich später noch zweimal verwerten, erst einmal während meiner Tätigkeit als Technischer Geschäftsführer bei der Dresden Gas GmbH in den Jahren 1971 und 1972, dann bei der anschließenden Beratung der Stadtwerke Leipzig GmbH ab 1973.

Natürlich ist diese Wiederholung einer geglückten Aktion, eben der Erdgasumstellung, weniger auf meine Motivation hierfür, als vielmehr auf die einzigartige Situation nach der Wiedervereinigung Deutschlands zurückzuführen. Doch davon später mehr! 

 

 

 

 

 

 



Kölsche Art im Alltag



Der Gasgeruch

In der Zweigstelle West (von den meisten Mitarbeitern einfach „die Meld“ genannt, klingelt das Telefon. Meister Bertram hebt den Hörer zum Ohr und nimmt einen Anruf entgegen, der sich wie ein Hilferuf anhört: „Gasgeruch im Keller des Hauses …...Gasse 6“. Da die übrigen Arbeiter noch nicht vom Einsatz zurück sind, nimmt er sein Fahrrad und radelt wegen seiner Körperfülle ein wenig behäbig aber zielsicher zu besagtem Keller. Er geht zunächst zum Gaszähler und erkennt, dass dieser gerade bei Null angefangen hat zu zählen. Das bedeutet: Hier hat im Laufe des Tages eine Zählerwechslung stattgefunden und da ist nun mal ein leichter Gasgeruch zurückgeblieben. Nicht die geringste Gefahr!

Herr Bertram, ein alter erfahrener Hase, öffnet das Kellerfenster, nimmt einen leeren Kartoffelsack, der unter der Kellerdecke über einem Rundholz hängt und wedelt mit diesem Sack so lange, bis sich der Gasgeruch durchs offene Fenster nach draußen auf Nimmerwiederriechen verzogen hat.

Dann schließt Herr Bertram das Kellerfenster, nimmt sein Formblatt für den Bericht und schreibt als Erledigungsvermerk:

„Gasgeruch durch Sackschwenken beseitigt.“

Das war’s!

 



Ein nicht alltäglicher Unfall: Der Hundebiss.

 

Auf dem weitläufigen Gelände des Rohrlagers Ehrenfeld befindet sich u.a. eine Gasüber-nahmestation, die tagsüber vom Meister Breuer betreut wird. Nach Feierabend, wenn Herr Breuer und die Rohrlagerarbeiter nach Hause gegangen sind, wird das gesamte Gelände von einem frei laufenden Schäferhund bewacht. Tagsüber ist dieser Wachhund in einem Zwinger eingesperrt. Es gehört zu den wenigen Sportarten des Herrn Breuer, dass er tagtäglich in der Mittagspause zum Zwinger geht und den Hund nach Herzenslust so lange zankt, bis dieser laut kläffend und die scharfen Zähne als Waffe präsentierend, am Zwingergitter auf und ab springt.

Es begibt sich nun eines Tages, dass einerseits Herr Breuer Überstunden macht und andererseits die Lagerarbeiter wegen der Übertragung eines Fußballspiels im Radio früher nach Hause gehen. Als nun Herr Breuer die Station verlässt und das Rohrlagergelände überquert, sieht der frei laufende Hund die Stunde der Rache für gekommen. Er richtet seinen „Freund“ übel zu, lässt ihn aber am Leben.

Am Tag darauf landet die obligatorische Unfallmeldung in Form eines vorschriftsmäßig ausgefüllten Vordrucks in unserem Büro. Unter der Rubrik: Was wurde unternommen, um ähnliche Vorkommnisse für die Zukunft auszuschließen, ist folgender Eintrag zu lesen:

Hund und Breuer wurden belehrt.

Typisch kölsch!



Selbstportrait 1964

Das 25-jährige Dienstjubiläum

feiern wir hoch oben im Colonia-Hochhaus  

50jährig, November 1977

Alles wirkliche Leben ist Begegnung.       Martin Buber

 

Mit der Vollendung des 50. Lebensjahres ist für die meisten von uns die Mitte des Lebens bereits überschritten. Anders formuliert hat man jetzt ein halbes Jahrhundert lang gelebt. Das ist eine große Spanne an Leben und ein reichhaltiges Volumen an Erleben. Wenn ich da an die Gespielen meiner Jugend in meinem ehemaligen Heimatdorf denke, die im Jungenalter an den Fronten eines erbarmungslosen Krieges geblieben sind, dann bin ich mit Dankbarkeit für das Geschenk dieser gelebten Jahre erfüllt. Dennoch erwache ich an diesem 5. November mit dem Bedürfnis, einmal zurückzuschauen. Ich blättere in einigen Büchern und Heftchen herum, auf der Suche nach einem passenden Gedicht. In Herders Bildungsbuch finde ich Hölderlins:

„Hälfte des Lebens“.                                              

Mit gelben Blumen hänget

Und voll mit wilden Rosen

Das Land in den See.

Ihr holden Schwäne,

Und trunken von Küssen

Tunkt ihr das Haupt

Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehme ich, wenn

Es Winter ist, die Blumen, und wo

Den Sonnenschein

Und Schatten der Erde?

Die Mauern stehn

Sprachlos und kalt, im Winde

Klirren die Fahnen.



Fünfzig Jahre alt, das macht doch etwas nachdenklich.

Das ist, vom Titel her betrachtet, natürlich eine Anmaßung. Müsste ich doch mindestens 100 Jahre alt werden! Auch ist mir der Schluss des Gedichtes zu hoffnungslos. Dann setze ich mich, der ich längst von lyrischen Anwandlungen verschont wurde, an meinen Schreibtisch und versuche, mein Empfinden in ein paar Versen einzufangen. Also:



50jährig                                                                     

Vom Frühling her kommend                                                                         

geschritten, gestritten

steh ich nun in des Sommers Mitten.

Halt an und schau zurück auf Quellen,

frech plappernde Bäche,

die gewährende Bank an der Eberesche.

Seh’ junges Grün vor betörendem Blau,

herzklopfende Pfade,

die Liebe, die Frau.

nun fühl ich des Sommers lastende Fülle

und höre, mit Begreifen, die Stille:

Schwer lastet Schwüle über Getreidewäldern,

Einsamkeit summt über reifenden Feldern.

Ich fühle das Morgen                                                     

und ahne die Ferne:

Des Herbstes Sorgen,

des Winters Sterne.

 

Ich schreite fort

voller Glauben,

maßlos weit,

bis zur kühlenden Nacht

hinterm Rande der Zeit.


(von mir so empfunden und zusammengereimt)



Herr Dalhoff, ein pensionierter Kollege, gratuliert und 80 Jahre schauen auf mich herab.  Das gibt neue Zukunftshoffnung!

 



Dabei will ich es belassen. Da das Älterwerden ein interessantes Abenteuer ist, wird der 50. Geburtstag zunächst im Kreise der Kollegen und Mitarbeiter der Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke Köln AG gebührend gefeiert. Selbstverständlich wird dann am Abend im Kreise unserer Freunde und Verwandten ebenfalls kräftig gefeiert, gelacht und gesungen und die leichte Schwermut des Morgens mit trockenem Wein     weggespült. Ein Prösterchen auf die kommenden                

Jahrzehnte!

 

Skorpione

 

Zu Karneval * Auserkorene,

Anfang November Geborene,

werden auch „Zähe Herbstkatzen“ genannt.

 

Den Skorpion als Sternzeichen,

wollen sie Ziele erreichen,

die außerhalb liegen von Sinn und Verstand.

 

Um diesen Ehrgeiz zu dämpfen,

müssen sich selbst sie bekämpfen,

sind so zu dauernder Selbstzucht gedrängt.

 

Wenn du dies wirst bedenken,

solltest Lieb‘ reichlich schenken,

dem, der in ein solches Fatum gezwängt.

 

 

*) In der Eifel sagt man: Karnevalsspellche, Allerhelligebeldche = Karnevalsspielchen, Allerheiligenbildchen.



Anmerkung

Für folgende Artikel wurden eigene Themenseiten eingerichtet:

  *   Sanierung alter gusseiserner Großrohrleirtungen

  *   Fernwärmetunnel Köln, Planung und Bau (Dokumentation)

Weitere Schritte im Dienste der Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke Köln AG
•    ab 01.02. 1977  Handlungsvollmacht und Leiter der Abteilung Rohrnetz – Neubau
•    ab 01.01  1988  Prokurist und Hauptabteilungsleiter Rohrnetze
                             mit einer sehr guten Unterstützung durch meine  

                             Sekretärin Frau Margret Kartenberg
•    ab 01.07. 1991  Vertretung des erkrankten designierten Technischen

                             Geschäftsführers der Dresden Gas GmbH
•    ab 01.01. 1992  Technischer Geschäftsführer der Dresden Gas GmbH
•    am 30.11 1992  Beendigung meiner Tätigkeit im Dienste der GEW-Werke Köln

                             AG aufgrund der eigenen Kündigung am 18.08.1992 mit der

                             Begründung der Vollendung meines 65. Lebensjahres am

                             05.11.1992.

Hinweis: Mein Berufsleben ist damit noch nicht beendet. Bis zur Vollendung meines 70. Lebensjahres mache ich versorgungstechnische Beratung im Auftrag der VNG, Verbundnetz Gas AG, bei den Stadtwerken Leipzig und Schwerin und der Energieversorgung Potsdam.
Siehe: Themenseite „In Ostdeutschland“


Ein besonderer Dank gilt meiner hervorragenden Sekretärin Frau Margret Kartenberg!